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Konflikte in interdisziplinären Teams – eine Perspektive aus der Mediation

  • Autorenbild: Hannah Varga
    Hannah Varga
  • 12. Juni
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 19. Juni

Kennen Sie das? Sie beginnen in einem neuen Job und die Chefin ist total offen Ihren Ideen und Bedürfnissen gegen über. Auch die neuen Arbeitskolleg:innen sind interessant. Alle kommen aus unterschiedlichen Disziplinen und Sie freuen sich schon auf die gemeinsame Projektarbeit in einem so kreativen und vielfältigen Umfeld. Aber schon nach kurzer Zeit beginnt es zu haken. Sie kommen mit Ihrem interdisziplinären Team kaum voran. Immer wieder verlieren Sie sich in Diskussionen über Prinzipien und die Meetings dauern gefühlt eine Ewigkeit ohne besonders gute Ergebnisse zu erzielen. Es fühlt sich so an als ob diese Idee eines interdisziplinären Teams doch nicht so gut für Sie ist. Schon nach wenigen Monaten überlegen sie zu kündigen.


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Dass jemand über einen Jobwechsel nachdenkt, weil es im Team nicht gut läuft, kann viele Gründe haben. Persönliche Konflikte zwischen Kolleg:innen, unklare Strukturen oder belastende private Umstände können sich vermischen – und machen es schwierig, „den eigentlichen Grund“ überhaupt zu benennen. Genau hier setzt Mediation an: Sie schafft Raum, damit diese Ebenen nebeneinander sichtbar werden dürfen, ohne gegeneinander ausgespielt zu werden.


Ein Aspekt, der in meiner Arbeit als Mediatorin immer wieder auffällt, ist dabei die Interdisziplinarität selbst. Was als Stärke des Teams gedacht war – die Vielfalt an Perspektiven und Arbeitsweisen – kann plötzlich zur Stolperfalle werden. Oft äußert sich das nicht direkt, sondern versteckt sich hinter anderen Themen: Missverständnisse, Reibung, Frustration.

In einem Fall, der mich zu diesem Text inspiriert hat, bestand ein Team Wirtschaftler:innen, Forschenden und Architekt:innen. Eigentlich ein vielversprechendes Setting. Doch im Alltag wurde klar: Die unterschiedlichen Vorstellungen davon, was „erfolgreiches Arbeiten“ bedeutet, standen sich regelrecht im Weg. Dazu kam, dass eine Kollegin ihre private Trennung stark ins Team brachte. Ihr Wunsch nach Rücksicht war nachvollziehbar, aber irgendwann fragten sich andere, wie sie noch arbeitsfähig bleiben können, wenn ständig Privates in die Meetings mitgebracht wird.



Interdisziplinarität als Trennlinie


In solchen Situationen fällt mir als Mediatorin und Sozialanthropologin oft ein Phänomen auf, das als Othering bezeichnet wird. Dabei geht es nicht einfach nur um Abgrenzung im Sinne von „Ich bin anders als du“, sondern um etwas Tieferes: Wir beginnen, Vorstellungen von den Anderen zu entwickeln, die oft wenig mit der tatsächlichen Person zu tun haben.


Plötzlich sind es dann „die Künstler:innen, die immer nur Improvisieren“ oder „die Betriebswirt:innen, die kein Gespür für Menschen haben“. Diese Bilder entstehen nicht zufällig – sie beruhen auf kulturell geprägten Erwartungen, Erfahrungen und manchmal auch Unwissenheit über die Tätigkeitsfelder des Gegenübers. Und sie führen dazu, dass Kompetenzen nicht mehr individuell wahrgenommen, sondern pauschal zu- oder abgesprochen werden.


Das Problem daran: Diese Vorstellungen verfestigen sich – und erschweren genau das, was interdisziplinäre Zusammenarbeit eigentlich braucht, nämlich Offenheit, Neugier, Lernfähigkeit und gegenseitiges Vertrauen.



Wie eine Team-Mediation hier helfen kann

Eine gute Mediation kann hier weiter helfen, diese Mechanismen sichtbar zu machen – und ihnen gezielt etwas entgegenzusetzen. Indem wir gemeinsam hinter die Zuschreibungen und Gruppenzugehörigkeiten blicken, können neue Perspektiven entstehen. Ein hilfreicher Zugang ist hier das Meta-Modell der Sprache, das wir als analytisches Werkzeug nutzen können, um zu verstehen, wie Menschen ihre Arbeitsweisen beschreiben.


So zeigt sich mitunter: Es ist vielleicht gar nicht nur die Interdisziplinarität, die die Zusammenarbeit erschwert. Vielmehr geht es oft um ganz unterschiedliche Arbeitsstile oder Persönlichkeitsmerkmale – etwa ob jemand eher global oder detailliert orientiert, strukturiert oder intuitiv, forschend-theoretisch oder praktisch-organisierend arbeitet.


Wenn wir den Blick dafür öffnen, dass diese Unterschiede nicht zwingend an Fachrichtungen gebunden sind, sondern Teil individueller Vielfalt im Team, wird ein anderer Umgang möglich. Dann kann Zusammenarbeit wieder als etwas Gemeinsames gedacht werden – und nicht als ständiger Abgleich zwischen „uns“ und „den Anderen“.



Zusammenfassung


Interdisziplinäres Arbeiten braucht nicht nur Neugier, sondern auch Geduld, Reflexion und gute Kommunikation. Die Konflikte, die dabei entstehen, sind nicht unbedingt ein Zeichen des Scheiterns – sie sind oft ein Hinweis darauf, dass das Team an einem echten Punkt der Auseinandersetzung angekommen ist.


Als Mediatorin finde ich es wichtig, diese Prozesse nicht als „Störungen“ zu sehen, sondern als Chancen. Wenn wir es schaffen, die Unterschiede nicht nur auszuhalten, sondern zu verstehen, kann daraus echte Zusammenarbeit entstehen – nicht trotz, sondern wegen der Vielfalt.



Für den Inhalt dieses Texts ist die Autorin verantwortlich. Er wurde mit ChatGPT Korrekturgelesen.

 
 
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