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Was ist Umweltmediation? - Ein Kommentar

  • Autorenbild: Hannah Varga
    Hannah Varga
  • 24. März
  • 6 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 25. März

Seit einiger Zeit beschäftige ich mich mit dem Thema Umweltmediation. Was ist das eigentlich? Und wie wird in diesem Bereich der Mediation gearbeitet? Ich begann meine Recherche online, las Artikel in Fachzeitschriften und Nachrichtenportalen, sprach mit Mediator:innen und versuchte möglichst viele Berichte über diverse Fallbeispiele zu finden. Hier ist nun mein Kommentar dazu:


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Warum Umweltmediation im öffentlichen Bereich?


Die Mediation von Umweltkonflikten wird in Fachkreisen bereits seit längerem diskutiert und praktiziert. So hat die UN 2015 einen Leitfaden für Mediator:innen in Konflikten um natürliche Ressourcen wie Wasser oder Landnutzungsrechte veröffentlicht (UN Peacemakers 2015), und auch die Mediationen zu Konflikten zwischen Menschen und Beutegreifern (engl. 'human-large carnivore conflicts') häufen sich.


Wie komplex diese Umweltkonflikte sind, zeigt die nähere Betrachtung einiger Fallbeispiele. Beispielsweise haben sich Wölfe in den letzten Jahren in Europa vermehrt. Die Rückkehr dieser großen Beutegreifer und die damit verbundenen vermehrten Kontakte mit Menschen und domestizierten Tieren bergen ein hohes Konfliktpotenzial, da diese Beutegreifer als potenziell gefährlich gelten. Um die Komplexität dieses Konfliktpotenzials und die daraus resultierenden Handlungen zu verstehen, wurden verschiedene wissenschaftliche Studien in Auftrag gegeben, die sich vor allem damit beschäftigen, wie ein Zusammenleben dieser Beutegreifer und des Menschen möglich ist. Diese Suche nach Formen des Zusammenlebens geht einher mit der Erkenntnis, dass wir vom weltweiten Artensterben und Biodiversitätsverlust massiv betroffen sind, was daher zu einem Politikum geworden ist.


Zu beachten ist, dass nicht jeder Umweltkonflikt durch Mediation begleitet wird. Oft sind gerade politische Themen, die eine oder mehrere Bevölkerungsgruppen betreffen, der maßgebliche Ausgangspunkt, um Mediator:innen hinzuzuziehen. Umweltmediation ist somit ein Bereich der Mediation im öffentlichen Bereich, der sich beispielsweise von der Arbeits- oder Familienmediation unterscheidet. Hier zeigt sich auch, dass es oft die öffentliche Hand (Gemeinde, UNO, EU, Stadtverwaltung etc.) ist, die eine solche Mediation in Auftrag gibt, da zwar die Richtung der Gesetzgebung klar formuliert ist, nicht aber wie bzw. ob diese in den unterschiedlichen Lebensrealitäten, auf die sie letztlich trifft, umgesetzt werden kann.


In der Studie "Human-Large Carnivores Co-existence in Europe - A Comparative Stakeholder Network Analysis" wurde dazu ein Team aus Wissenschaftler:innen und Mediator:innen beauftragt zu untersuchen, wie die EU-Ziele von 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume und der wildlebenden Tiere und Pflanzen in den EU-Ländern gewährleistet werden können (Grossmann et.al 2020). Diese von der EU finanzierte Studie gibt einen Überblick über die verschiedenen Konflikte, die durch die Umsetzung dieser EU Ziele entstehen. Dies bedeutet nicht, dass die EU die Auftraggeberin aller Umweltmediationen in Europa ist, sondern dass sie politische Entscheidungen trifft, die dann mit verschiedenen Gruppen von Betroffenen, den sogenannten Stakeholdern, verhandelt werden.


Dieser Begriff der 'Stakeholder' ist ein weiterer interessanter Punkt, der zeigt, wie Umweltmediation im öffentlichen Bereich geframed wird. Es geht also darum, wer eingeladen wird und wer nicht, an der Mediation in großen Gruppen teilzunehmen. Die UN schreibt dazu in dem bereits oben zitierten Leitfaden, dass 'Stakeholder' jene Personen oder Personengruppenvertreter:innen sind, die tatsächlich Entscheidungsbefugnis haben, um Lösungen umzusetzen. Zudem können nur Personen in den Mediationsprozess eintreten, die sich im Vorfeld mit allen Positionen im Konflikt auseinandergesetzt haben, auch wenn es nicht ihre eigenen sind (UN Peacemakers 2015). Diese beiden Punkte sind also für die UN ausschlaggebend für die Einladungspolitik zu einem Mediationsprozess.


Auf der einen Seite macht das durchaus Sinn, denn schließlich geht es darum, Vereinbarungen zu erarbeiten, die auch umgesetzt werden können, um den Umweltkonflikt bestmöglich zu lösen. Dazu müssen natürlich Personen und Gruppenvertreter:innen in den Prozess eingebunden werden, die über die entsprechenden Kompetenzen verfügen. Andererseits kann dieser selektive Ansatz bei Umweltkonflikten wie z.B. Wassernutzungsrechten oder Wolfsmanagement zu kurz greifen. Als Mediator:in mit Erfahrung in Co-Design und Bürgerbeteiligung weise ich darauf hin, dass die Personen, die die Befugnis haben, (politische) Entscheidungen zu treffen, nicht unbedingt die Personen sind, die diese Entscheidungen später auch ausführen. Als Mediator:innen sind wir auch dafür da, um bestmöglich sicherzustellen, dass Lösungen oder Vereinbarungen, die am Ende eines Mediationsprozesses stehen, auch langfristig Wirkung haben. Dazu wenden wir Methoden wie SMART-Ziele an, um sicherzustellen, dass die Ergebnisse einer Mediation nachhaltig wirken. Aber gerade bei Umweltkonflikten gibt es immer eine Komponente der Unsicherheit. Wir wissen einfach nicht, wie sich die Nicht-Menschen, also die Elemente, die Tiere, das Wetter etc. die am Konflikt beteiligt sind, in Zukunft verhalten werden. Diese Unsicherheit in Bezug auf die Zukunft könnte bedeuten, dass Personen, die nicht primär als 'Stakeholder' für den Prozess identifiziert wurden, dennoch eine größere Rolle bei der Fortführung oder Anpassung von Vereinbarungen nachhaltig spielen könnten.


Ich sehe hier auch sehr interessante Möglichkeiten, Nachbarschaftsinitiativen und Aktivistengruppen einzubinden. Ein Beispiel ging durch die Medien. 2022 waren es 200 Freiwillige, die während der Weidezeit Nachtwache hielten, um sowohl die Wölfe als auch die Weidetiere zu schützen. Durch die menschliche Präsenz mit Trillerpfeife und Licht kam es zu keinen Rissen. Dies führte zu einem friedlicheren Zusammenleben von Weidetieren, Wölfen und Menschen (srf.ch 2022). Es stellt sich daher die Frage, inwieweit das Konzept der 'Stakeholder' solche Personen und Gruppen einschließen kann, die ohne primär ökonomisches Interesse oder Auftrag durch einen Arbeitgeber eine solche Verantwortung des Sorgetragens für Ökosysteme übernehmen.


Wo ist die Umweltmediation außerhalb des öffentlichen Bereichs?


Ein weiter Frage die sich während meiner Recherche dann ergab ist, kann es Umweltmediation auch außerhalb des öffentlichen Bereichs geben? Die kurze Antwort ist ja, denn Umweltkonflikte und Umweltprobleme gibt es überall. Allerdings konnte ich zwei konkrete Bereiche identifizieren, in denen sich abzeichnet, dass Umweltmediation hier konkreter benannt werden kann:


Der erste Bereich, in dem ich fündig wurde, war der Umweltaktivismus selbst. Als vor einigen Jahren die Fridays4Future-Bewegung in Gang kam, kam es zur Bildung diverser Supportgruppen, die sich den Schüler:innen Protesten anschlossen oder sie auf andere Weise unterstützten. Eine dieser Gruppen sind die Psychologists for Future, die ehrenamtlich und kostenlos psychologische Akuthilfe für Menschen in allen Umwelt- und Sozialbewegungen anbieten. Was dann passierte, war, dass vermehrt auch Anfragen zu Konflikten in Gruppen und Initiativen an diese Stelle kamen, was allerdings außerhalb der Kompetenz der Psycholog:innen und Psychotherapeut:innen liegt. Daher wurde die Gruppe Konfliktmoderation for Future gegründet, die gemeinsam mit den Facilitators for Future aktivistische Gruppen im Umweltbereich unterstützt. Dabei kommen unterschiedliche Anfragen in den Posteingang. Zum Beispiel von Gruppen, die sich gerade gründen und nach moderierender Unterstützung für einen Orientierungsworkshop fragen, oder auch von zwei Personen, die in einer bestehenden Umweltinitiative in einen Konflikt geraten sind und nach einer eher klassischen Mediation anfragen.


Meiner Erfahrung nach brauchen Mediator:innen eine gewisse Sensibilität, um in diesem Bereich der Umweltmediation zu arbeiten. Erstens haben Menschen, die sich in Gruppen organisieren, um etwas für die Umwelt zu tun, ein hohes ethisches Verantwortungsgefühl für das Gemeinwohl. Dieses bestimmt oft ihren Handlungsrahmen und muss von den Mediator:innen im Prozess mitbedacht werden. Zweitens sind die Konflikte in solchen Umweltgruppen ähnlich wie in der Arbeitsmediation. Der Unterschied ist aber, dass die Menschen in Umweltgruppen oder -initiativen ehrenamtlich arbeiten und daher ihre Zeit (und eigenes Geld) einbringen, damit die Gruppe weiterarbeiten kann. Dies muss insbesondere bei der Terminfindung berücksichtigt werden. Drittens können externe Faktoren interne Konflikte verstärken. Während große Umweltverbände und NGOs über ein gewisses Budget für Rechtsberatung und Schutz verfügen, sind die Mitglieder vor allem lokaler Initiativen und kleinerer Vereine der Kritik oder Anfeindung von außen direkt ausgesetzt. Dies kann als sehr zermürbend empfunden werden und interne Konflikte verstärken. Neben diesen drei Punkten gibt es noch weitere Sensibilitäten, die Mediator:innen aus meiner Sicht brauchen, um in diesem Bereich der Umweltmediation zu arbeiten, und die es noch auszuarbeiten gilt.



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Der zweite Bereich, auf den ich bei meinen Recherchen gestoßen bin und der ebenfalls außerhalb des öffentlichen Bereichs liegt, sind Umweltkonflikte am Arbeitsplatz. Hier entstehen Umweltkonflikte durch Veränderungen in der täglichen Routine eines Unternehmens. Beispielsweise entscheidet die neue Geschäftsleitung, dass neben den traditionellen Produkten auch eine nachhaltige Linie neu eingeführt werden soll, was eine Umstellung des Produktionsprozesses mit sich bringt und einen Teil der Belegschaft vor den Kopf stößt. Oder es kann durch eine Umstellung in der Kantine auf weniger tierische Produkte zu Spannungen zwischen Kolleg:innen führen. Diese beiden Beispiele können wiederum als eher klassische Ansatzpunkte für Arbeitsmediation angesehen werden. Wenn es durch Veränderungen in der Unternehmenskultur zu Spannungen und dadurch zu Unzufriedenheit in der Belegschaft kommt, werden Mediator:innen oft zu solchen Themen gerufen. Ich sehe aber die potentielle Gefahr, wenn diese Umweltthemen in der Mediation nur als Ausgangspunkt oder Teilaspekt des Konflikts behandelt werden, dass in der nächsten ähnlichen Situation der gleiche Konflikt wieder aufbricht. Denn es handelt sich um ein Thema, das in weiten Teilen der Gesellschaft hoch politisch und moralisch aufgeladen ist. Um das Ziel der Mediation, eine nachhaltige Vereinbarung, zu erreichen, könnte es daher wichtig sein, hier einen erweiterten Rahmen in der Mediation zu finden, der auch Umweltthemen mehr Raum gibt.



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Conclusio: Was nehme ich für mich mit aus dieser Recherche?


Das Thema Umweltmediation ist sehr komplex und ich bin noch lange nicht tief genug in die Materie eingetaucht. Wie die Enviromental Mediation Initiative in ihrem Bericht "Good Practice Toolkit for faciliation and mediation of enviromental conflicts" schreibt, benötigen Mediator:innen und Moderator:innen in solchen Konflikten ein vertieftes Wissen über relevante Dokumente sowie verschiedene Fallstudien, um den Prozess leiten zu können (Enviromental Mediation Initiative 2023). Darüber hinaus muss auch nach der Art der Mediation unterschieden werden, da eine Mediation im öffentlichen Bereich andere Grundvoraussetzungen hat als eine Mediation innerhalb einer Umweltgruppe. Auf jeden Fall ist es für mich ein sehr relevantes Thema und ich lade zur gemeinsamen Diskussion und Reflexion ein.



Text und Redaktion von Hannah Varga // Korrekturgelesen mit Hilfe von DeepLWrite


 
 
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